6.) Hamm im Ersten Weltkrieg – abgeordnet an die Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH in Berlin

Zu Friedenszeiten hat Eduard Hamm keinen Wehrdienst leisten müssen – aus Gründen, über die sein Nachlass keinen Aufschluss gibt. Darin finden wir im Hinblick auf diese Frage lediglich ein „Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst“ des Kgl. Gymnasiums bei St. Stephan in Augsburg vom Juli 1895; dieses ist drei Jahre vor Hamms Abitur ausgestellt worden.

 

 

Gegen seinen Willen, denn er will an die Front, bleibt dem jungen Familienvater Hamm – er ist im 35. Lebensjahr – auch nach Beginn des Ersten Weltkriegs eine Einberufung zur Armee erspart, anders als etwa seinem Schwager Carl von Merz, der im Krieg die höchste militärische Auszeichnung, den Orden Pour le Mérite, erhalten wird. Gleichwohl stellt Hamm sich als Ministerialbeamter auch in der veränderten Situation in besonderer Weise in den Dienst „für König und Vaterland“. Als Regierungsassessor des kgl. Bayerischen Staatsministeriums des Innern begibt sich Hamm im Frühjahr 1915 „zum Studium kommunaler und wirtschaftlicher Verhältnisse“ in das vom Deutschen Reich besetzte Belgien.

 

 

Der Auslandsaufenthalt im besetzen Belgien mag der gezielten Vorbereitung derjenigen dienstlichen Verwendung gegolten haben, die Eduard Hamm im Folgejahr leisten wird: Das ganze Jahr 1916 über ist Hamm eigenem „Wunsche entsprechend […] auf Ersuchen des Reichsamts des Innern“ vom bayerischen Innenministerium an die „Zentral-Einkaufsgesellschaft (ZEG) mbH“ in Berlin abgeordnet, die – zugleich mit der Gründung eines Kriegsernährungsamtes – im selben Jahr aus der Reorganisation der „Reichseinkaufs-Gesellschaft“ hervorgeht. Es handelt sich bei der ZEG mbH um ein öffentlich finanziertes Privatunternehmen, das nach Einführung der staatlichen Rationierung der Lebensmittelversorgung für den Import von Lebensmitteln zuständig ist. Da das Deutsche Reich, als Staat mit dem weltweit dritthöchsten Bruttosozialprodukt hinter den USA und Großbritannien, etwa ein Drittel der benötigten Lebensmittel importieren muss, überrascht es nicht, dass die ZEG mbH die größte Handelsgesellschaft der Welt ist.

 

Staatsminister von Soden-Fraunhofen persönlich spricht Hamm anlässlich dessen Beurlaubung und Abordnung nach Berlin für dessen „ausgezeichneten Dienste und die rastlose Arbeit auf dem Gebiet der Kriegsfürsorge [s]eine besondere Anerkennung“ aus.

 

 

Auch wenn das Agieren der Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH und des Kriegsernährungsamtes in der Forschung als wenig effizient dargestellt wird: Die zusätzliche wirtschaftspolitische Expertise, die sich Hamm in diesem Jahr 1916 aneignen und umsetzen kann und für die er bei der Rückkehr nach München von Kaiser Wilhelm II. mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse am weiß-schwarzen Band ausgezeichnet wird, der Umgang mit ökonomischen Ausnahmezuständen, wird ihn, zumindest in der Wahrnehmung seines Umfeldes, nur knapp drei Jahre später auch für sein erstes Ministeramt mit der Zuständigkeit für Handel, Industrie und Gewerbe qualifizieren. Die Abordnung Hamms an die ZEG mbH in Berlin, also zu einer halbstaatlichen Organisation mit gesamtdeutscher Zuständigkeit, nimmt in seiner Zeit als Ministerialbeamter den späteren Wechsel von der bayerischen Landespolitik ins politische Berlin, also auf die Reichsebene vorweg. Dies manifestiert sich ganz konkret darin, dass Eduard Hamm 1916 in Berlin den Verwaltungsjuristen Wilhelm Cuno (1876–1933) kennenlernt, der dort zur gleichen Zeit die „Reichsgetriedestelle“ leitet (bis Juli 1916) und als Abteilungsleiter im Kriegsernährungsamt agiert. Diese Bekanntschaft, mehr noch: die Freundschaft zwischen Hamm und Cuno wird sich als nachhaltig erweisen. Als Cuno, der Ende 1918 zum Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) avanviert ist, 1922 zum Reichskanzler ernannt wird – als Chef eines „Kabinetts der Wirtschaft“ –, holt er Eduard Hamm als Staatssekretär in die Reichskanzlei.