5.) Verwaltungsjurist in der Münchner Ministerialmeritokratie (1911–1920)
Im Herbst 1911 kehrt der junge Familienvater Eduard Hamm nach dreieinhalbjähriger Abwesenheit in die bayerische Landeshaupt- und Residenzstadt München zurück. Nach der Zeit als Magistratsrat in Lindau ist Hamm bereits zum 1. Oktober 1909 wieder in den Königlich Bayerischen Justiz- und Verwaltungsdienst eingetreten und hat als Bezirksamtsassessor in Memmingen gedient – also wiederum in einer vormaligen freien Reichsstadt, die zudem protestantisch geprägt ist –, wo 1910 das erste Kind des Ehepaars Hamm, Gertrud, zur Welt kommt. Zum 1. Oktober 1911 tritt er als Bezirksamtsassessor in das kgl. Staatsministerin des Innern ein, wo er – unterbrochen von einer einjährigen Abordnung an die Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH bzw. das Kriegsernährungsamt in Berlin während des Ersten Weltkriegs – bis Ende 1917 verbleiben wird.
Die junge Familie bezieht in München, fußläufig zu den Ministerien, eine Wohnung in der Schellingstraße 83, die bis zur festen Übersiedlung nach Berlin 1925 ihr Zuhause wird. Bei dem Gebäude handelt es sich um eines der 1888/89 errichteten so genannten „Trump’schen Fürstenhäuser“. Die Fassadenbemalung dieser Gebäude, die am 7. Januar 1945 bei einem Luftangriff zerstört werden, hat ein alter Bekannter der Familie Hamm besorgt – der mit Eduard Hamms Onkel Anton Niederleuthner jun. eng befreundete Passauer Historienmaler Ferdinand Wagner (1847–1927).
Mit dem 1. März 1913 wird Hamm zum Regierungsassessor befördert. Als Kgl. Staatsminister des Innern amtiert inzwischen Maximilian von Soden-Fraunhofen (1844–1922, 1916 in den erblichen Grafenstand erhoben), dessen Sohn und Enkel für Hamms Geburtsstadt Passau noch eine bedeutende Rolle spielen werden: Alfred Graf von Soden-Fraunhofen (1875–1944) ist 1915 maßgeblich an der Gründung der Zahnradfabrik (ZF) Friedrichshafen beteiligt; Ekart Graf von Soden-Fraunhofen (1906–1974) wird 1942 in Grubweg bei Passau ein Zweigwerk der ZF gründen, die „Waldwerke GmbH Passau“ und damit den Grundstein für den heute größten privatwirtschaftlichen Arbeitgeber im östlichen Niederbayern legen, die ZF Passau GmbH.
Auch als Ministerialbeamter tut sich Eduard Hamm durch besondere Leistungen hervor, etwa durch die Mitwirkung an der Organisation der „Jahrhundertfeier“ zum Gedenken an die Befreiungskriege, die im August 1913 unter Anwesenheit aller deutschen Bundesfürsten in der Ruhmeshalle über Kelheim stattfindet.
Dr.-Ing. Wilhelm Niklas (1887–1957), als studierter Tierarzt 1915/16 Referent für Tierzucht im Kgl. Bayerischen Staatsministerium des Innern und – wie Hamm – 1916 an das Kriegsernährungsamt in Berlin abgeordnet (nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur von 1947 bis 1955 Ordinarius für Tierzucht an der LMU München, sondern auch als Gründungsmitglied der CSU von 1949 bis 1954 Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie 1951–1953 für den Wahlkreis Donauwörth Mitglied des Deutschen Bundestages) wird sich an seinen Kollegen Eduard Hamm später wie folgt erinnern:
„Ich lernte Eduard Hamm im Jahre 1915 kennen, als ich in das Bayerische Staatsministerium des Innern einberufen wurde. Hamm war damals als Regierungsassessor dort tätig. Sehr bald merkte ich, dass seine Bedeutung im Ministerium weit über diese Stellung hinausging. Hamm, mit dem ich bald engere Fühlung bekam, war eigentlich der Hecht im Karpfenteich. Das Bayerische Staatsministerium des Innern setzte sich nämlich damals aus alten, um nicht zu sagen überalterten Ministerialräten zusammen, die natürlich gute Referenten waren, aber im Lauf der Zeit doch eine gewisse Enge aufwiesen. Hamm dagegen verfügte über eine ungeheure Lebhaftigkeit im Interesse am gesamten öffentlichen Leben. Es fiel mir daher auf, dass die Ministerialräte in sehr vielen Fällen mit ihm Fühlung nahmen, um sich seines Urteils zu bedienen. Insbesondere hatte Hamm einen großen Einfluss auf den damaligen Staatsrat des Innenressorts Dr. von Kahr, der vor allem in wirtschaftlichen Dingen den Rat Hamms stets gern hörte.“ (zit. nach Bischel 2021, S. 257, Anm. 1031).
Nachdem er Ende Dezember 1917 eine weitere Beförderung innerhalb des Staatsministeriums des Innern erhalten hat, wechselt Eduard Hamm gemäß Berufung durch den König als Legationsrat in das Kgl. Bayerische Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren. „Legationsrat“ bleibt, bevor Hamm im März 1920 sein erstes Ministeramt antreten und nach dem Ende seiner politischen Karriere nicht mehr in den staatlichen Justiz- und Verwaltungsdienst zurückkehren wird, seine letzte Stellung im Rahmen der Beamtenlaufbahn.