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Objekttyp
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Brief
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Objekttitel
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*Mitwirkung Eduard Hamms an der Organisation der „Jahrhundertfeier“ der Befreiungskriege in Kelheim am 25. August 1913
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Objektstatus
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Original
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Interne Signatur
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dhup_hamm_lebe_beamtenlaufbahn_baystmi_jahrhundertfeier-1913
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Digitale Kollektion
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EHOA 2024
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Entstehungsort oder Erscheinungsort
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München
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Datierung oder Erscheinungsjahr
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1913-08-31
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Maße des Objektes
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Seiten 1,2: Länge: 33 cm; Breite: 21 cm; Seiten 3, 4: Länge: 16,4 cm; Breite: 20,7 cm
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Bemerkungen
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König Ludwig I. von Bayern hatte von seinen bevorzugten Architekten, Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner, zwischen 1842 und 1863 unweit der niederbayerischen Stadt Kelheim, auf einer Anhöhe über der Donau, die so genannte Befreiungshalle errichten lassen. Den monumentalen Zentralbau widmete er „DEN TEUTSCHEN BEFREIUNGSKAEMPFERN“, die 1813–1815 Deutschland von der Besetzung durch das napoleonische Frankreich befreit hatten. 50 Jahre nach der Einweihung der Kelheimer Befreiungshalle und 100 Jahre nach dem Beginn der Befreiungskriege fand am 25. August 1913 in Kelheim an und in der Befreiungshalle eine der letzten großen monarchischen Feierlichkeiten der deutschen Geschichte statt, zu der sämtliche deutsche Bundesfürsten samt Kaiser Wilhelm II. (sowie die Bürgermeister der drei freien Hansestädte) angereist waren, außerdem der Reichskanzler, Theobald von Bethmann Hollweg, und Abordnungen von Studenten deutscher Universitäten.
Weniger als zwölf Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs symbolisierte die Feierlichkeit wie in einem Brennglas den „Zeitgeist“ des späten Wilhelminismus, den Militarismus, den fortwährenden Vorbehalt gegen Frankreich, und, in regionalgeschichtlicher Hinsicht, nicht zuletzt die „gesamtdeutsche Sendung“ Bayerns in der Selbstwahrnehmung des wittelsbachischen Königshauses. Ein für den in seiner Kindheit und Jugend stark südbayerisch geprägten Eduard Hamm keineswegs selbstverständlicher gesamtdeutscher Horizont, der für seine politische Tätigkeit nach dem Untergang der Monarchie in Deutschland so wichtig werden sollte (als Staatssekretär und Minister in der Reichsregierung und DIHT-Spitzenfunktionär), zeigte sich aus Anlass der von ihm mit organisierten „Jahrhundertfeier“ vielleicht zum ersten Mal in einem so herausgehobenen Rahmen.
Der Unterzeichner, Gustav Ritter von Kahr (1862–1934), steht nicht nur, wie Hamm, für die ähnlichen Hintergründe und Werdegänge der Funktionselite des späten Königreichs Bayern sowie, über die Epochenschwelle von 1918/19 hinweg, auch des frühen Freistaates Bayern. Während seines Studiums der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität München war auch er Mitglied des AGV München, bevor er in den bayerischen Justiz- und Verwaltungsdienst eintrat: 1900–1902 als Bezirksamtmann in Kaufbeuren, durchlief er 1902 ff. eine steile Karriere im Kgl. Bayerischen Staatsministerium des Inneren, erhielt bereits 1911 das Adelsprädikat und 1912 Rang und Titel eines „Geheimen Rats“ (Anrede: „Exzellenz“), avancierte ebenfalls 1912 zum Staatsrat und Ministerialdirektor und 1917 schließlich zum Regierungspräsident von Oberbayern
Nach der Revolution von 1918/19 und der „Münchener Räterepublik“ des Frühjahrs 1919 erfolgte am 16.03.1920 die Wahl Gustav Ritter von Kahrs zum bayerischen Ministerpräsident (BVP), wobei er von seinem Vorgänger Johannes Hoffmann (SPD) den Staatsminister für Handel, Industrie und Gewerbe übernehmen sollte – Eduard Hamm. Die hochproblematische Rolle, die Ritter von Kahr in der „Ordnungszelle Bayern“ auch nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident (12.09.1921, dann erneut Regierungspräsident von Oberbayern) spielen sollte – v. a. als von der nunmehr konservativen Staatsregierung ernannter „Generalstaatskommissar“ Bayerns (26.09.1923 bis 17.02.1924, einen Tag vor Beginn des Hitler-Prozesses vor dem Volksgericht München) mit diktatorischen Vollmachten gem. Art. 64 der Bamberger Verfassung, belegen nicht zuletzt die Schwierigkeiten, in die der verlorene Weltkrieg und der Versailler Vertrag Deutschland und Bayern gestürzt hatten; zeigen aber auch, wie die alten Eliten der Kaiserzeit zwischen den extremen Kräften der Weimarer Zeit aufgerieben wurden – und am Ende vielfach zerstört. Wie Eduard Hamm würde Gustav von Kahr die Repression der NS-Diktatur auch gegen die etablierten Autoritäten von vor 1933/1918 nicht überleben. Sollte Hamm erst gegen Ende des „Dritten Reichs“ zu dessen Opfer werden, wurde Ritter von Kahr während des so genannten „Röhm-Putsches“ am 30. Juni 1934 im Konzentrationslager Dachau gefoltert und ermordet.
Dass die Kelheimer „Jahrhundertfeier“ des Jahres 1913, aus Perspektive des Jahres 1934 dann doch auch irgendwie verständlicherweise von Zeitgenossen als „gute alte Zeit“ erinnert und verklärt, an einem 25. August stattfand – übrigens ein Montag –, dürfte, was in der bisherigen Forschung übersehen worden ist, kein Zufall gewesen sein. Denn der 25.8. war der Geburtstag zweier bayerischer Könige: von Ludwig I. (1786–1868, reg. 1925–1848), also dem Erbauer der Befreiungshalle, und des „Märchenkönigs“ Ludwig II. Die Auswahl dieses Tagesdatums illustriert letztlich auch die Komplexität bzw. Paradoxie des im Fall der „Jahrhundertfeier“ ja gerade auch gegen den „Erbfeind“ Frankreich gerichteten nationalen und militärischen Stolzes und Pomps. Denn der spätere König Ludwig I. war selbst im Königreich Frankreich geboren worden – in der 1681 vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. annektierten vormaligen freien Reichsstadt Straßburg –, wo sein damals noch nachgeordnet in der wittelsbachischen Erbfolge stehender Vater als Offizier der französischen Armee diente. Er erhielt den Vornamen Ludwig erklärtermaßen deswegen, weil der 25.8. der Namenstag des hl. Ludwigs ist – und selbiger war kein anderer als Ludwig IX., König von Frankreich (1214 – 1270, reg. seit 1226, 1297 heiliggesprochen), und König Ludwig XVI. war sein Taufpate.
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