4.) Konnubium in beste(r) Gesellschaft. Heirat mit Marie von Merz (1907) und Familiengründung
Eduard Hamm lernt seine spätere Braut Marie (Antonie Maria Caroline, innerfamiliär stets „Medi“ oder „Mädi“ genannt), geb. von Merz, als Student im Wintersemester 1899/1900 bei einer Tanzstunde des Akademischen Gesangvereins (AGV) München kennen. Dem AGV gehört nicht nur er selbst an, sondern zeitgleich auch Marias älterer Bruder Carl von Merz (1881–1962), auch dieser ein ,Kandidat des Rechts‘ an der Ludovico-Maximilianea. Bereits Eduard Hamms Schwiegervater Karl von Merz (1848–1910) hatte, wie sein eigener Vater Johann Baptist Hamm (1841–1921), dem AGV München angehört – beide ebenfalls als spätere Juristen.
Bis zur Hochzeit im Sommer 1907 muss Eduard, wie es die bürgerliche Konvention der Zeit und zumal dieses hohen gesellschaftlichen Milieus verlangt, natürlich sein Studium und das Referendariat abschließen und eine erste vorzeigbare Stelle innehaben – die eines III. Staatsanwalts am Landgericht München II. Bis dahin wechseln „Edi und Medi“ unzählige Briefe – Zeugnisse nicht nur der (groß-)bürgerlichen „Briefkultur“ der späten Kaiserzeit, sondern offenkundig echter gegenseitiger Zuneigung.
Der junge Eduard Hamm hat zum Zeitpunkt seiner Hochzeit in Schule, Studium und Referendariat aus den privilegierten Rahmenbedingungen in den Herkunftsfamilien väterlicher- und mütterlicherseits bereits beachtliche, ja außerordentliche (Aufnahme in die Stiftung Maximilianeum 1898, Landesbester bei der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 1906) eigene Meilensteine gesetzt. Die Eheschließung mit Marie von Merz stellt für Hamm nun einen weiteren Zuwachs an sozialem, kulturellem, ökonomischem und nicht zuletzt symbolischem „Kapital“ im Sinne Pierre Bourdieus dar.
Marie von Merz stammt aus einem der ältesten und angesehensten Häuser Nürnbergs, das, wie die meisten führenden Familien der früheren freien Reichsstadt, noch in der Vormoderne vom römisch-deutschen Kaiser nobilitiert worden war. Und mehr noch: Hamms Schwiegervater ist vier Jahre zuvor zum Senatspräsidenten am Oberlandesgericht Nürnberg ernannt worden, hält also eine der höchsten Positionen im Kgl. Bayerischen Justizwesen. Die bedeutende Stellung der Familie von Merz in der obersten Gesellschaftsschicht Nürnbergs und des Königreichs Bayern verdeutlichen die dutzenden Glückwunschschreiben zur Hochzeit von Marie und Eduard Hamm, die zum Großteil an eines der Elternteile adressiert sind. In dem Briefkonvolut finden wir bekannte Namen wie Faber-Castell, Ebner-Eschenbach, von Tann; sogar der – nach dem König – höchste Amtsträger der Evangelischen Landeskirche Bayerns, Alexander von Schneider, gratuliert persönlich.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten am 24. August 1907 in Nürnberg sind dementsprechend standesgemäß, wie etwa die „Speisen-Folge“ im Hotel zum Goldenen Adler illustriert. Auch die anschließende, in einem Fotoalbum dokumentierte Hochzeitsreise von Eduard und Maria Hamm zeugt von den gesellschaftlichen Möglichkeiten der beiden: Die Reise führt das Brautpaar nach Venedig, an die Adria und bis nach Montenegro.
Die Verbindung mit Marie von Merz stellt sich in der Überlieferung des Passauer Nachlasses nicht nur als eine innige und liebevolle Beziehung dar, sondern als eine Ehe auf Augenhöhe. Die Briefkultur des Ehepaars Hamm, welche die in der jüngeren kulturhistorischen Forschung vertretene Hypothese einer „Berichtspflicht“ gegenüber engen Familienangehörigen in Adel und (Bildungs-)Bürgertum der Kaiserzeit untermauert – besonders etwa während Eduard Hamms dienstlicher Abwesenheiten von München und Reit im Winkel vor und nach der festen Übersiedlung nach Berlin –, dauerte bis zur Verhaftung Eduard Hamms durch die Gestapo im Sommer 1944.
Die Verbindung zur Familie seiner Frau, vor allem zu seinem Bundesbruder Carl von Merz, sowie der durch diese Familienbande eröffnete Zugang zur alteingesessenen Nürnberger Oberschicht sollte die alte Reichsstadt und deren Umgebung für Eduard Hamm neben Passau, Augsburg und München und später Berlin und Reit im Winkl zu einem weiteren zentralen Ort seines Lebens werden lassen – bis hin zur Rechtsberatung für Nürnberger Adlige während der NS-Zeit. Zumal für die Zeit vor 1918 bildet die Eheschließung eines Bürgerlichen und einer Adligen sicherlich eine Ausnahme. Mindestens ebenso ungewöhnlich ist die unterschiedliche Konfessionszugehörigkeit der Brautleute und dass die Verlobung auch keine Konversion der Braut nach sich zieht. Auch Maria und Eduard Hamms drei Kinder (Gertrud, geboren 1910, Hans, 1911, und Fride, 1914), wachsen mit dem Religionsbekenntnis der Mutter auf, also evangelisch-lutherisch. Gertrud Hamm, verh. Hardtwig, wird 1916 in die I. Simultanschule in München eingeschult – zu einer Zeit der weitaus überwiegenden Dominanz von Bekenntnissschulen gerade in Bayern –, später in Berlin das Gymnasium zum Grauen Kloster besuchen und absolvieren und als Lehrerin an der Evangelischen Privatschule der Elisabeth von Thadden in Heidelberg wirken.
Durch beide Sachverhalte – sein „Einheiraten“ in den Adel und durch die konfessionelle „Mischehe“ – unterscheidet sich Eduard Hamms Werdegang bereits vor 1918 von dem Lebensweg, der einem in Passau und Umgebung familiär verwurzelten bayerischen Beamten, der zwei katholische Klosterschulen besucht hat, gegen Ende des „langen 19. Jahrhunderts“ typischerweise vorgezeichnet zu sein schien. Auch als Ehemann ist Hamm einerseits Zeitgenosse, zum anderen aber belegt sein „Konnubium in beste(r) Gesellschaft“, wie sich um 1900 das bis dato in breiten Teilen statische Gesellschaftsmodell in deutschen Landen bereits von innen her zu verändern beginnt.